ÖSTERREICH-DILEMMA: RANGNICK NOCH VOR EM WEG?

Von Tobias Wiltschek

Wird Sportvorstand Max Eberl sein Ziel doch noch erreichen und bis Ende April einen neuen Trainer für den FC Bayern München präsentieren können?

Sieht ganz danach aus.

Nachdem sich die Suche nach einem Nachfolger von Thomas Tuchel zeitweise so zäh gestaltet hatte wie der Berufsverkehr auf dem Mittleren Ring in München, deutet sich plötzlich eine schnelle Lösung an.

Wie ran weiß, muss Ralf Rangnick nur noch Ja sagen. Die Vereinsführung hat sich auf den 65-Jährigen geeinigt.

Erst am Mittwoch hatte das Austria-Portal "90minuten.at" ein Interview mit dem 65-Jährigen veröffentlicht, indem der von einer Kontaktaufnahme der Bayern berichtete.

ÖFB-Geschäftsführer Peter Schöttel bestätigte dies: "Er hat uns bei einem persönlichen Treffen mit ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer über das Angebot des FC Bayern informiert."

Auf die Frage, ab wann er sich denn überhaupt erst mit einem Wechsel über die Alpen hinweg nach München befassen würde, antwortete Rangnick noch etwas zurückhaltend: "In dem Moment, wo die Bayern sagen würden: Wir wollen Sie."

Nun, da dieser Teil der Voraussetzung offenbar erfüllt ist, warten die Fußballnation Österreich und der Fußballklub aus München nervös auf die Beantwortung der Frage, die sich Rangnick in dem Interview selbst gestellt hatte: "Will ich das überhaupt?"

Auch hier haben die Bayern, so ist jedenfalls aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren, dem gebürtigen Württemberger etwas auf die Sprünge geholfen.

Eberl und Sportdirektor Christoph Freund sollen Rangnick nicht nur die Erlaubnis gegeben haben, den größten Kaderumbruch der Bayern seit Langem entscheidend beeinflussen zu dürfen. Sie sollen es von ihm geradezu gefordert haben.

Österreich unter Rangnick ein EM-Geheimfavorit

Aus Münchner Sicht spricht derzeit also so gut wie alles für Rangnick als neuen Trainer. Doch wie sieht es in Österreich aus? Dort, wo Rangnick die Nationalmannschaft innerhalb von gut zwei Jahren von einem belächelten Außenseiter zu einem Geheimfavoriten auf den EM-Titel entwickelt hat.

Auch Schöttel erwartet ein schnelles Ende der Verhandlungen. "Der FC Bayern will Klarheit und hat eine Deadline und wir stehen kurz vor der EM mit großen Zielen. Ich denke, dass das Thema in ein, zwei Wochen erledigt ist", sagte er dem "ORF"

Zugleich warb Schöttel eindringlich für eine weitere Zusammenarbeit: "Wir versuchen, sehr vieles umzusetzen, was er vorschlägt. Er schätzt die Arbeit mit diesen Spielern, er schätzt die Arbeit mit den Betreuern. Es hat sich eine verschworene Gemeinschaft gebildet."

Doch auch Schöttel und die gesamte Riege der Verantwortlichen beim ÖFB werden nicht umhinkommen, sich möglichst bald Gedanken über eine Zukunft ohne Rangnick zu machen.

Erlebt Rangnick die EM noch als Österreich-Trainer?

Und auch hier könnten die Umstände eine Eigendynamik entwickeln, an deren Ende möglicherweise die Erkenntnis steht, mit Rangnick nicht einmal mehr die EM in dessen Heimatland Deutschland zu bestreiten.

Denn je mehr Einfluss der Fußballlehrer bei den Planungen des FC Bayern zugesprochen bekommt, desto eher wird er sich auf die Vorbereitung der neuen Saison fokussieren müssen.

Die neue Bundesliga-Saison beginnt zwar erst am 23. August. Ins Training aber werden die Münchner schon Mitte Juli einsteigen. Und bis dahin sollten zumindest die ersten Transfers über die Bühne gegangen sein.

Spinnt man den Gedanken weiter, müsste Rangnick spätestens im Juni mit ins operative Geschäft eingebunden werden, inklusive täglicher Absprache mit Eberl und Freund.

Gleichzeitig aber beginnt die Europameisterschaft, in die die Österreicher mit so großen Hoffnungen wie selten zuvor bei einem großen Turnier starten. Beide Mammutaufgaben in Personalunion zu erfüllen, ist schlicht nicht möglich.

Die Konsequenz kann nur sein, dass sich Rangnick für Bayern oder Österreich entscheidet – jetzt. Unter einem Artikel in der "Kronenzeitung" zur Zukunft der österreichischen Nationalmannschaft kommentierte ein User: "Ich denke dass er bleiben wird. Für mich ist das eine Charaktersache. Sollte er aber wirklich zu den Bayern wechseln, dann bitte sofort. Mit einem Teamchef, der vor der EM sowas macht, sollte man nicht zur EM fahren."

Nagelsmann begründet Absage mit Doppelbelastung

Noch sind solche Äußerungen Einzelmeinungen in der Alpenrepublik. Das könnte sich aber ändern, je näher die EM rückt. Gerade erst hat Julian Nagelsmann bei "MagentaSport" noch einmal seine Absage an die Bayern genau mit diesem Dilemma begründet.

"Ich will gar keine Zweifel dran lassen, dass ich mit allem, mit Haut und Haar, für die erfolgreiche Heim-EM kämpfe. Und dass da nicht irgendwie der Eindruck entsteht, ich würde mich zweigleisig auf einen anderen Job vorbereiten müssen, was zwangsläufig der Fall gewesen wäre", sagte er.

Wie kurzfristig ein Nationaltrainer vor einem großen Turnier noch entlassen werden kann, zeigten die Spanier vor ein paar Jahren. Die Verbandsbosse setzten nur wenige Tage vor der WM 2018 in Russland Julen Lopetegui vor die Tür, als sie erfuhren, dass der Coach bei Real Madrid unterschrieben hatte.

Noch sind es exakt 50 Tage bis zum EM-Eröffnungsspiel. Bis dahin kann sich in Österreich noch viel ändern.

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