WAS BAYER LEVERKUSEN VON DIESEN ENGLISCHEN U12-MäDCHEN LERNEN KANN

Die U12 der Queens Park Ladies ist ungeschlagen Meister geworden – in einer Jungen-Liga. Trainer Toby Green über vorlaute Gegner, Vergleiche mit den »Invincibles« des FC Arsenal und Bayer Leverkusen.

SPIEGEL: Herrr Green, haben Sie von Bayer Leverkusen gehört?

Green: Natürlich, ich habe Leverkusens Bundesliga-Meisterschaft genau verfolgt. Der Platzsturm nach dem entscheidenden Sieg war unglaublich. Xabi Alonso macht überragende Arbeit.

SPIEGEL: Leverkusen hat die Chance, ungeschlagen durch die Saison zu kommen – als erster Verein in der Bundesliga. Welche Tipps können Sie der Mannschaft geben?

Green: Ganz wichtig: Von Spiel zu Spiel denken. Mein Eindruck ist, dass Xabi dieses Denken beherzigt. Das merkt man daran, dass sich Leverkusen nie geschlagen gibt und in jedem Spiel bis zum Ende alles versucht.

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SPIEGEL: Leverkusens späte Tore sind mittlerweile berüchtigt. Gerade hat die Mannschaft gegen Dortmund in der 97. Minute die erste Saison-Niederlage verhindert.

Green: Wir hatten auch ein paar solcher Spiele. Wir standen schon als Meister fest, haben das 0:1 kassiert, und ich dachte: Das wird jetzt eine interessante Prüfung. Aber die Mädchen sind immer zurückgekommen. Das ist auch eine Frage der Mentalität.

SPIEGEL: Sie trainieren die U12 der Queens Park Ladies und haben gerade die Bournemouth Youth Football League gewonnen, ohne eine einzige Niederlage – und das in einer Staffel, in der sonst nur Jungen-Mannschaften spielen. Wie haben Sie das gemacht?

Green: Das ist eine lange Geschichte. Also: Meine jüngere Tochter fing in einem Mädchen-Team an, das in einer Jungen-Liga spielte. Das lief nicht besonders gut. In zwei Jahren haben die Mädchen nur ein Spiel gewonnen. Wir haben das Team aus der Liga genommen und drei Jahre lang nur Testspiele gemacht, viel trainiert, die Mädchen in Technik und Taktik geschult, bis sie richtig gut waren. Dann haben wir den Verband gefragt, ob wir wieder am Ligabetrieb teilnehmen können.

SPIEGEL: Und?

Green: Der Verband wollte uns in eine Mädchenliga stecken. Bei allem Respekt für die anderen Teams: Wir hatten seit mehreren Jahren zusammengespielt, waren richtig gut. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass wir in einer Jungen-Liga mitmachen durften. Und der Verband hat irgendwann zugestimmt: Ok, wir schauen mal, wie ihr klarkommt.

SPIEGEL: Sie schlossen die Saison mit 18 Siegen, vier Unentschieden und ohne Niederlage ab. Sie kamen ziemlich gut klar.

Green: Das kann man sagen. Wir wären mit einem Platz in der oberen Tabellenhälfte zufrieden gewesen. Dass wir die Liga gewinnen, und das ungeschlagen – das ist einfach unfassbar.

SPIEGEL: Wann haben Sie gemerkt, dass Sie das Unfassbare schaffen können?

Green: Nach einem Viertel der Saison war uns klar, dass wir oben mitspielen können. Nach der Hälfte der Saison haben wir uns gute Chancen auf den Titel ausgerechnet. Und irgendwann denkt man: Wenn wir so weitermachen, verlieren wir kein Spiel. Einfach war die Saison aber nicht. Viele unserer Spiele waren knapp. Wir hatten ein paar 2:1 und 1:0. Unsere Torhüterin hat viele richtig gute Spiele gemacht.

SPIEGEL: Was sind die wichtigsten Zutaten für ein unschlagbareres Team?

Green: Zeit und Hingabe. Unser Erfolg ist das Ergebnis von sechs Jahren Arbeit. Ich bewerte Spielerinnen nicht nach Fähigkeit, sondern nach Erfahrung. Einige der Spielerinnen haben mehr als 300 Spiele zusammen gemacht. Das ist ein enormer Vorteil, wenn wir gegen ein Team spielen, das seit anderthalb Jahren zusammen ist und 40 Spiele gemacht hat. Wir trainieren zweimal die Woche – und das fast durchgehend. Bei vielen Klubs gibt es Pausen: zwei Wochen zu Ostern, sechs Wochen im Sommer, zwei Wochen zu Weihnachten. Dadurch geht wertvolle Trainingszeit verloren. Unsere Spielerinnen haben über Weihnachten eine Woche frei, ansonsten trainieren wir durch.

SPIEGEL: Klingt anstrengend.

Green: Die Mädchen lieben es. Sie wollen so viel spielen wie möglich. Unser Vereinsmotto lautet: be the best you. Wenn man das Beste aus sich herausholen will, muss man hart arbeiten. Es sind eher die Eltern, die manchmal gern eine Pause hätten.

SPIEGEL: Wie finden es die Jungen-Mannschaften in Ihrer Liga, gegen Mädchen zu spielen?

Green: Gerade am Anfang der Saison haben die Jungs natürlich ihre Sprüche gemacht: Was? Wir spielen gegen Mädchen? Ein Junge meinte vor einem Spiel: Heute schieße ich fünf Tore. Und ich dachte: Nein, sicher nicht.

SPIEGEL: England ist im Frauen- und Mädchen-Fußball sehr weit. Die Nationalelf wurde vor zwei Jahren Europameister, durch einen Sieg im Finale gegen Deutschland vor fast 90.000 Menschen in Wembley. Ist es ein gutes Zeichen, dass Ihre Mädchen in einer Jungen-Liga spielen müssen?

Green: Es ist tricky, nicht wahr? Ich glaube: Bis im Alter von zehn, elf Jahren gibt es keinen Unterschied zwischen Mädchen und Jungen, wenn sie dasselbe Coaching bekommen, dieselben Möglichkeiten haben. Das ändert sich natürlich in der Pubertät: Die Jungen wachsen, werden stärker. Dann ist es sinnvoll, dass Jungen und Mädchen eigene Ligen haben. Aber bis dahin ist es kein Problem, wenn sie zusammenspielen.

SPIEGEL: War es schwer, Ihre Spielerinnen weiter zu motivieren, als die Meisterschaft feststand? Ungeschlagen zu bleiben, ist kein Titel.

Green: Zum Glück sind unsere Mädchen sehr erwachsen für ihr Alter. Sie haben diese Mentalität entwickelt, dass jedes Spiel zählt, dass sie auf keinen Fall verlieren wollen – auch, als wir schon Meister waren. Schwieriger war es mit den Eltern. Sie waren sich der Sache manchmal ein bisschen zu sicher.

SPIEGEL: Durch Ihre makellose Saison bekommen Sie viel Aufmerksamkeit von Medien aus aller Welt. Das dürfte ebenfalls Motivation gewesen sein.

Green: Nein, wirklich nicht. Ich dachte mir: Wenn die Lokalzeitung über uns berichten würde – dann haben wir es geschafft. Und jetzt habe ich gerade mit der »New York Times« gesprochen, ein französischer TV-Sender hat einen Beitrag über uns gemacht. Es ist unglaublich.

SPIEGEL: Englische Medien nennen Sie »Invincibles« – wie die Mannschaft des FC Arsenal, die 2003/2004 ungeschlagen blieb. Gefällt Ihnen der Vergleich?

Green: Niemand bei uns im Klub ist Arsenal-Fan. Aber der Spitzname trägt natürlich dazu bei, dass sich die Leute für uns interessieren. Sie glauben gar nicht, wie viele Klubs sich schon gemeldet haben, um gegen uns zu spielen. Alle wollen die »Invincibles« schlagen – vor allem natürlich Jungen-Mannschaften.

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