FC BAYERN MüNCHEN: UNRUHE VOR CHAMPIONS-LEAGUE-HALBFINALE – ULI HOENEß ATTACKIERT, THOMAS TUCHEL KONTERT

Das Königsklassen-Duell mit Real Madrid haben sie vor der Brust, die Bayern stehen vor dem Schlüsselmoment dieser Saison. Trotzdem ging es rund um das Bundesligaspiel gegen Frankfurt kaum ums Sportliche.

Ehe er vor etwas mehr als einem Jahr zum FC Bayern kam, bat Thomas Tuchel telefonisch um das Einverständnis von Uli Hoeneß. Erst nach dessen Ja-Wort unterschrieb Tuchel seinen Vertrag in München. Er werde, versprach der Trainer damals dem Ehrenpräsidenten, gut auf dessen Klub aufpassen.

Nach Bayerns 2:1-Sieg gegen Eintracht Frankfurt erinnerte ein Journalist auf der Pressekonferenz an diese Anekdote und fragte, ob er, Tuchel, das Gefühl habe, dass seinerseits Hoeneß auf ihn sowie den FC Bayern aufpasse.

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Tuchel lächelte. Dann holte er tief Luft. Doch statt Hoeneß Kontra zu geben, stimmte der 50-Jährige leisere Töne an. Er habe vor dem Spiel bereits auf die Kritik reagiert. Dabei wolle er es belassen. Er verstehe die Frage, und sie sei berechtigt. Aber: »Es gibt keinen schlechteren Zeitpunkt für irgendwelche Nebenschauplätze. Es geht nur um Real Madrid

Am Dienstag findet in München das Halbfinal-Hinspiel der Champions League gegen Madrid statt, es ist das wichtigste Spiel der Saison. Für den FC Bayern ist es die Gelegenheit, diese Spielzeit zu retten. Für Trainer Tuchel, sich mit einem Triumph aus München zu verabschieden. Sein Aus im kommenden Sommer ist längst besiegelt.

Vor diesem Schlüsselmoment also sorgte Uli Hoeneß bei einer Podiumsdiskussion der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« für etwas, das mit »Unruhe« nur unzureichend beschrieben wäre.

»Er meint nicht, dass er einen Davies, Pavlović oder Musiala verbessern kann«

Tuchel, insinuierte Hoeneß, habe es versäumt, junge Spieler zu entwickeln. »Er meint nicht, dass er einen Davies, Pavlović oder Musiala verbessern kann. Wenn es nicht klappt, sollte man einen anderen kaufen«. Hoeneß forderte, »man sollte hart an ihnen arbeiten und ihnen Selbstvertrauen geben«. Subtext: Tuchel habe das unterlassen, trägt also Mitschuld an den verpassten Titeln in den nationalen Wettbewerben.

»Das ist so weit an der Realität vorbei, dass ich eigentlich gar nicht darauf reagiert hätte, wenn es nicht von Uli Hoeneß gekommen wäre«, sagte Tuchel vor dem Anpfiff bei Sky. Er habe dafür »sehr wenig Verständnis. Ich find’s absolut haltlos, aber okay.«

»Ich find’s absolut haltlos«

Hoeneß teilt gegen Tuchel aus, der Trainer nimmt die Deckung hoch und kontert.

Man könnte diesen Dissens zwischen Hoeneß und Tuchel abtun, wenn er nicht für mehr stehen würde als ein Geplänkel zwischen Anführern.

In Wahrheit zeigt er, dass Trainer und der einflussreiche Ehrenpräsident grundlegend verschieden über den Zustand des FC Bayern denken. Tuchels Analyse, wonach die Mannschaft neue Führungsspieler, eine neue Hierarchie benötige, scheint Hoeneß nicht zu teilen. Der Trainer hätte einen besseren Job machen und die Fans ihr Team stärker unterstützen sollen, so die Andeutungen des Aufsichtsratsmitglieds.

Die Debatte zeigt noch etwas: dass man beim FC Bayern München derzeit kaum in Ruhe arbeiten kann.

Die Frage, wer im Sommer auf den scheidenden Tuchel folgt, übertönt seit Wochen immer wieder das, was auf dem Fußballplatz geschieht. Julian Nagelsmann war ein Dauerthema in der Münchner Arena, und nach dessen Absage wabert nun der Name von Ralf Rangnick durch den Klub. Trainer und Verein befinden sich in Verhandlungen, und bislang sind sie noch nicht übereingekommen. Als wäre dies nicht genug Ablenkung vom Sportlichen, kam Hoeneß hinzu.

Man fühlt sich erinnert an den vergangenen Sommer, als die Bayern an der Verpflichtung Harry Kanes arbeiteten. Damals bemühten sie sich um Verhandlungen frei von Turbulenzen, bis Hoeneß vor einer Gruppe von Journalistinnen und Journalisten im Tegernsee-Trainingslager prahlte, dass Kanes damaliger Verein Tottenham »einknicken muss« und »dann kriegen wir ihn«.

Schon da wirkten Hoeneß' Aussagen nicht gerade zuträglich für den Erfolg der Verhandlungen. Nun sorgen sie für Ablenkung vom Sportlichen.

»Ich finde nicht, dass es FC Hollywood ist«, sagte Sportvorstand Max Eberl auf eine entsprechende Frage nach den steten Unruhen in München. Aber es sei derzeit schon intensiv beim FC Bayern. Er sei »gespannt, wann Markus Lanz endlich einsteigt in die ganze Thematik«. Eberl, 50, seit zwei Monaten leitender Angestellter des Vereins, versuchte nach dem Frankfurt-Spiel die Wogen zu glätten.

Hoeneß wie Tuchel seien »zwei Männer, die in ihrem Leben Großartiges geleistet hätten«, sagte Eberl: »Die werden sich zusammenraufen.« Er ließ allerdings durchblicken, dass er Hoeneß' Kritik nicht teilt.

Dass dieser ein sehr, sehr guter Trainer ist, sei unbestritten, sagte Eberl. »Er hatte damals in Mainz eine junge Truppe, er hat immer erfolgreich gearbeitet, ob mit jungen oder alten Spielern.« Und was er Hoeneß über das Timing von dessen Kritik gesagt habe? Das gehöre nicht an die Öffentlichkeit, sagte Eberl.

In Sachen Tuchel-Nachfolge sei zudem nichts zu verkünden. »Ich weiß, es ist gerade die Frage der Nation«, sagte Eberl, und man arbeite weiter an einer Lösung, aber vor dem Spiel gegen Real Madrid am Dienstag werde es diese eher nicht geben.

Die Verhandlungen zwischen dem FC Bayern und Rangnick sollen bereits weit fortgeschritten sein, die Münchner wollen den österreichischen Nationaltrainer verpflichten. Doch Rangnick, so wirkt es derzeit, scheint noch zu zögern, ob er dem Verein seine Zusage geben soll.

Er wird die öffentliche Kritik von Uli Hoeneß sehr genau verfolgt haben.

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