BASKETBALLER DER CHEMNITZ 99ERS: EIFORBIBBSCH IN ISTANBUL

Ein Team aus Verschmähten, Quereinsteigern und Spätzündern holt den Europapokal: Der Triumph der Niners im Europe Cup unterstreicht das anhaltende Basketballhoch in Deutschland - dabei war Chemnitz im Finale zwischenzeitlich fast "tot".

Eiforbibbsch in Istanbul

Die Wirkung des Unerwähnten ist eine unterschätzte Rubrik, dabei kann auch ein Innehalten wunderbare Geschichten erzählen. Wie jene der Chemnitzer Basketballer, die nun Europapokalsieger sind - und dies nach ihrem Triumph in Istanbul in den ersten Stunden des Tages auf ihrer Vereins-Homepage verschwiegen. Bis zur Mittagszeit am Donnerstag fand sich dort kein Wort über den größten Erfolg in der 25-jährigen Vereinsgeschichte, was ausdrücklich zu begrüßen ist.

Man hatte in den vergangenen 24 Stunden vermutlich Besseres zu tun, feiern zum Beispiel. Oder wie es Kapitän Jonas Richter kurz nach dem Gewinn des Fiba Europe Cups im Konfettiregen im Sender MDR ankündigte: "Das eine oder andere alkoholische Getränk wird heute verhaftet." Richter, 26, war es auch, der kurz davor den Pokal des vierthöchsten europäischen Wettbewerbs als Erster in die Höhe gewuchtet hatte, was natürlich zu dieser Geschichte passte: Ein gebürtiger Chemnitzer mit Elternhaus in Auerswalde nördlich der Stadt, der sein ganzes Leben im Verein verbracht hat, erkämpft nach all den Jahren mit seinem Verein eine internationale Trophäe.

Selbige ähnelte zwar einem Papierkorb (darstellen soll der Pokal einen Basketballkorb), aber das war wie so vieles egal in dieser Nacht des Überschwangs in der Ülker Arena. So egal wie die 95:105 Niederlage nach Verlängerung gegen den türkischen Gegner, die nach einem Elfpunktepolster aus dem Hinspiel (85:74) gerade so reichte. So egal wie die Notaufstellung mit vier kleinen Spielern am Ende, weil alle großen Jungs mit fünf Fouls vom Parkett mussten. Und auch die Kulisse mit über 11 000 Zuschauern, die nach dem finalen Fehlwurf der Istanbuler in Scharen das Weite suchten, spielte kaum eine Rolle - wobei: Ganz oben unter dem Dach, quasi hinter dem Bosporus, lagen sich 150 mitgereiste Niners-Fans samt kollektivem "Eiforbibbsch" in den Armen.

"Wir waren tot. Zweimal. Dreimal. Viermal", stammelte Center Kevin Yebo ins Fernsehmikrofon, als er das Auf und Ab der Partie und den dahinschmelzenden Chemnitzer Vorsprung beschreiben sollte. Yebo, 28, ist sonst der verlässlichste Scorer des Teams, das aus vielen Verschmähten, Quereinsteigern und Spätzündern besteht. Weil er diesmal kaum zu Würfen kam, sprangen andere ein. Der Kanadier Kaza Kajami-Keane etwa, der 29 Punkte sowie einige überlebenswichtige Körbe einstreute und zum Final-MVP auserkoren wurde. "Wir haben es geschafft zurückzukommen, weil die Jungs die Geilsten sind", rief Yebo, gleichsam heiser und heiter.

Dass die Erfolgssaison der 99ers auf diesen Höhepunkt zusteuern würde, hätten wohl nur große Optimisten geglaubt. Trotz Platz zwei in der Bundesliga (BBL) kurz vor den Playoffs, trotz begeisternder Leistungen gegen höher einzuschätzende Klubs aus Spanien oder Italien. Denn die Niners sind nach den Regeln des Betriebs ein Außenseiter. Erst zum zweiten Mal spielten sie überhaupt international - und gewannen den Wettbewerb nun mit einer Bilanz von 15:3-Siegen.

Es gibt erst sechs deutsche Europapokalsieger im Basketball

Zuvor war das aus Deutschland nur Alba Berlin (Korac-Cup, 1995), dem Mitteldeutschen BC (Europe Cup, 2004), der BG Göttingen (EuroChallenge, 2010), den Frankfurt Skyliners (Europe Cup, 2016) und den Baskets Bonn (Champions League, 2023) gelungen. Dass es jetzt sogar zwei deutsche Titelträger nacheinander gibt (wenn auch nicht auf dem höchsten europäischen Level), bestätigt das Basketballhoch hierzulande.

Das vergangene Jahr brachte neben Bonns Triumph bekanntlich auch den WM-Titel des Nationalteams. So zeige "dieser Europapokalerfolg, dass unsere Vereine, unsere Liga und generell der deutsche Basketball in allen Bereichen große Fortschritte machen", fand BBL-Geschäftsführer Stefan Holz. Das sollte tatsächlich nicht unerwähnt bleiben.

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