STEUERGELDER FüR BUNDESLIGA UND EM: DIE POLITIK DARF SICH NICHT AUF DER NASE HERUMTANZEN LASSEN

Fußballbosse wollen keine Steuern zahlen, und für die Sicherheit rund um die Stadien soll die Allgemeinheit aufkommen. Das ist ein mieser Deal auf Kosten der Allgemeinheit.

Mit Sport wird alles ein wenig besser: Er ist gesund. Er vermittelt moralische Werte, Haltung, Disziplin. Er bringt Menschen zusammen, er trägt gar zu Völkerverständigung bei. So zumindest stellen es Fußballfunktionäre gern dar.

Leider ist es mit Fair Play in der realen Welt des Sports nicht weit her, vor allem dann nicht, wenn es um das einträgliche Geschäft mit dem Profifußball geht. Da machen sich die Fußballbosse gern ihre eigenen Regeln. Je nach Gelegenheit buhlen sie um staatliche Unterstützung – oder pochen auf die Autonomie des Sports und verbitten sich jede Einmischung.

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Das lässt sich gerade vor dem Bundesverfassungsgericht beobachten. Der Fall, der dort seit der vergangenen Woche verhandelt wird, schwelt seit Langem. Vor neun Jahren beschloss das Land Bremen, die Deutsche Fußballliga (DFL) an den Kosten zu beteiligen, die entstehen, wenn wegen zu erwartender Fanausschreitungen besonders viele Polizistinnen und Polizisten im Einsatz sind. Seither schickt der klamme Stadtstaat für den zusätzlichen Aufwand bei »Hochrisikospielen« Gebührenbescheide an die DFL, in der die Profiklubs der Bundesliga und der Zweiten Bundesliga vertreten sind.

Polizisten schützen das Geschäftsmodell des Fußballs

Die klagt dagegen durch die Instanzen, bislang erfolglos. Dabei ist es nichts Ungewöhnliches, dass Gebühren für besondere öffentliche Leistungen fällig werden. Jeder Bürger, der einen Pass verlängert, oder seine Mülltonne an den Straßenrand stellt, kennt das. Die DFL aber tut so, als hätte sie mit den aggressiven Fans nichts zu tun, als würden die Hooligans auch ohne Fußball aufeinander losgehen. Und sie jammert, dass sich die armen Vereine die Zahlungen nicht leisten könnten.

In Wirklichkeit sorgen die Polizistinnen und Polizisten dafür, dass das Geschäftsmodell des Profifußballs reibungslos funktioniert.

In der vergangenen Saison kletterte der Gesamterlös der 36 Profiklubs der beiden Bundesligen auf 5,2 Milliarden Euro. Zugleich leisten Polizisten und Polizistinnen rund um die Stadien 2,5 Millionen Einsatzstunden. Das entspricht aufs Jahr gerechnet 1500 Beamtenstellen, die nur für den Profifußball geschaffen wurden und aus Steuereinnahmen finanziert werden müssen. Da erscheint eine Kostenbeteiligung mehr als nahe liegend.

Zudem bekommen weder die Klubs noch die DFL die Gewalt in und um die Stadien in den Griff. Nach der Coronapandemie haben Pyrotechnik, Sachbeschädigungen, Ausschreitungen sogar noch zugenommen. Doch statt konsequent etwa mit der Schließung von kompletten Gästeblocks zu reagieren, versuchen sie, die Kosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

Natürlich ist es das Recht der DFL, alle juristischen Optionen zu nutzen. Aber sie verließ sich nicht auf diesen Weg. Erst strafte sie Bremen mit dem Entzug von Länderspielen ab. Dann nahm sie den dortigen Klub Werder Bremen in eine Art Geiselhaft, indem die DFL die Bescheide an ihn weiterreichte.

Als sich die Hanseaten als eine Ausrichterstadt für die Europameisterschaft in diesem Sommer bewarben, hatten sie ebenfalls keine Chance. Klar, sie weigerten sich, die Uefa für das Turnier von Polizeikosten freizustellen. Bremen wollte sich nicht erpressen lassen.

Der Sieger der EM steht schon fest

Gerade das Turnier, das in wenigen Wochen in Deutschland stattfindet, zeigt die Arroganz des Fußballs, der wie selbstverständlich Sonderrollen für sich in Anspruch nimmt. So steht der eigentliche Sieger schon vor Beginn fest: die Uefa selbst. Der Fußballdachverband wird mit Spektakel 1,7 Milliarden Euro Gewinn machen. Das gelingt auch, weil die Steuerzahler die Veranstaltung mit etlichen Millionen subventionieren.

Wie das kommt? Der europäische Fußballverband hat den Deutschen seine Bedingungen schlichtweg diktiert. Hätten wir nicht mitgemacht, würde das Turnier eben in der Türkei stattfinden. Sie war im Bewerbungsverfahren unser einziger Konkurrent, und Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan lockte mit vielen Versprechen. Das Geschäftsmodell des Verbands – wie übrigens auch des Weltverbands Fifa – funktioniert so: Wir streichen die Gewinne ein, die Kosten und Risiken bleiben beim Ausrichterland.

Der Regierung Angela Merkel war das 2018 egal, sie wollte das Sportfest unbedingt nach Deutschland holen. Olaf Scholz unterzeichnete damals als Finanzminister sogar eine Steuergarantie, ein womöglich bis zu 250 Millionen Euro teures Geschenk.

Das Geld wäre beim Amateursport besser aufgehoben

Öffentlich will das trotzdem kaum ein Politiker kritisieren. Selbst die Ausrichterstädte, die Millionen für den Uefa-Wunschzettel zahlen müssen und vergeblich auf Unterstützung des Bundes gehofft haben, machen gute Miene zum unfairen Spiel. Vielleicht, so die Hoffnung, taugt das Spektakel doch noch als Stimmungsaufheller im Land. Die Gefahr ist groß, dass die Rechnung nicht aufgeht.

Die Politik sollte sich von den Funktionären nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen. Selbst wenn dann auf absehbare Zeit keine Sportgroßveranstaltung mehr in Deutschland stattfinden wird.

Schon bei der WM 2006 gab es eine Steuerbefreiung für die Veranstalter. Nach dem Turnier ließ der DFB dann aus den Überschüssen 1000 Bolzplätze im Land errichten. Diesmal sind ähnliche Pläne nicht bekannt. Der Bund hat allerdings im Januar sein Zuschussprogramm zur Sanierung kommunaler Sportanlagen gestoppt, weil ihm das Geld fehlt. Dort wären die Steuermittel besser aufgehoben als bei den Fußballbossen.

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