LARS RICKEN BEI BORUSSIA DORTMUND: DER NEUE STARKE MANN

Lars Ricken steigt zum Geschäftsführer des BVB auf. Er ist beliebt bei den Fans und bei den einflussreichen Personen in der Führungsetage. Allerdings gibt bei seiner Beförderung auch einen prominenten Verlierer.

Der TuS Eving-Lindenhorst fristet seit Jahren ein trauriges Dasein in der Kreisliga B. Er war mal einer der führenden Amateurklubs in Dortmund, bekannt auch für seine gute Jugendarbeit. Michael Zorc, Stefan Klos und Lars Ricken spielten für den TuS. Damals wurde auf der Zeche »Minister Stein«, ein paar Meter vom Sportplatz entfernt, noch Kohle gefördert.

Mehr Dortmund als Eving geht kaum, mehr Borussia als Michael Zorc und Lars Ricken geht kaum.

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Beide haben bei den Erwachsenen nie für einen anderen Klub gespielt. Beide sind Legenden des Vereins, sie gewannen 1997 mit dem Klub die Champions League. Beide erhielten in verschiedenen Positionen Anschlussverträge nach ihrer Karriere als Fußballer.

Beide, das eint sie wieder mit Stefan Klos, suchten mehr den Schatten denn das Licht der Öffentlichkeit. Ricken gelang das als Nachwuchskoordinator (seit 2008) und Direktor des Nachwuchsleistungszentrums aus naheliegenden Gründen besser als Zorc. Der dürfte in seiner Zeit als Sportdirektor von 1998 bis 2022 auch in etwa so viele Absagen an die Talksendung »Doppelpass« erteilt haben wie Bundesligaspiele absolviert, und das waren 463.

Seit der BVB am vergangenen Montag vollkommen überraschend bekannt gab, dass Lars Ricken am 1. Mai in die Geschäftsführung der börsennotierten Dortmunder Fußballfirma aufsteigen wird, werden sich die Anfragen auch anderer Medien für ihn stapeln.

Im Dortmunder Machtgeflecht steht Kehl nun allein da

Sein Name fiel in den vergangenen Jahren immer mal, wenn es um die Besetzung von Posten bei der Borussia ging. Etwa, als ein Leiter der Lizenzspielerabteilung gesucht wurde. Die Wahl fiel dann auf Sebastian Kehl, der nicht in Dortmund geboren wurde, nie für den TuS Eving-Lindenhorst spielte, aber trotzdem den berüchtigten Stallgeruch verbreitet. Er wurde in seinen 13 Profijahren beim BVB unter anderem dreimal Meister.

Kehl hatte vor ein paar Wochen »Sport1« zugesagt und im »Doppelpass« seine Bereitschaft hinterlegt, vom Sportdirektor in die Geschäftsführung aufzurücken und so mittelfristig gesehen den Posten zu besetzen, den Hans-Joachim Watzke Ende 2025 räumen wird.

Dieser forsche Auftritt Kehls soll bei entscheidenden Personen des Klubs nicht gerade gut angekommen sein, ist aus dem Verein zu hören.

Von Zweifeln an Kehls Eignung war häufiger zu hören, und das ist auch berichtet worden, ohne dass die Quellen genannt werden wollten. Schon bald wird das Organigramm zitiert werden dürfen, denn dass der Direktor des Nachwuchsleistungszentrums am Sportdirektor vorbei in die Geschäftsführung befördert wird, obwohl der ausdrücklich dorthin wollte, ist ein Beleg für den Zweifel.

Eine der ersten Aufgaben von Lars Ricken wird sein, im Sommer mit Kehl über eine »mögliche Vertragsverlängerung« über 2025 hinaus zu verhandeln. Auch dieser Passus in der offiziellen Mitteilung des BVB schwächt den Sportdirektor, der zunehmend isoliert ist.

Sebastian Kehl hat niemanden im Verein, der ihm öffentlich den Rücken stärkt. Sein Verhältnis zu Trainer Edin Terzić gilt als angespannt, das zu Sven Mislintat auch. Der ehemalige Chefscout, geboren in Dortmund, kehrt ab 1. Mai als Technischer Direktor zum BVB zurück, mit der ausdrücklichen Aufgabe, den Kader zu planen, also der klassischen Aufgabe eines Sportdirektors.

Die Wertschätzung Kehls bei Watzke und dessen persönlichem Berater Matthias Sammer soll sich auch in Grenzen halten.

Ricken bekommt Unterstützung von allen Seiten

Anders ist das bei Ricken gelagert, der Zimmergenosse von Sammer war, als Dortmunder Profifußballer noch in Doppelzimmern untergebracht waren.

Ricken, 47 Jahre alt, wurde zweimal mit dem Spieler Sammer und einmal unter dem Trainer Sammer Meister. »Er bringt alles mit, ein ganz großer Spieler zu werden«, sagte Sammer mal über den deutlich jüngeren Kollegen, der vermutlich den Ruf des ewigen Talents behalten hätte, wäre da nicht dieser legendäre Lupfer gewesen, der zu 3:1 gegen Juventus ins Netz sank und der Borussia zum Gewinn der Champions League verhalf.

Sein Legendenstatus wird Ricken bei den Fans helfen, die enorme Wertschätzung von Watzke und Sammer in seinem Job als Geschäftsführer.

In die Zeit von Ricken als Verantwortlicher im Jugendbereich fallen etliche Deutsche Meisterschaften für die U19 und U17, viele Spieler fanden den Weg in den Profibereich. Kaum jemand aber fand den Weg in die Bundesligamannschaft von Borussia Dortmund, zumindest nicht als Stammspieler.

Welche Erfolge oder Misserfolge (Antonio Rüdiger etwa spielte genau wie Chris Führich auch mal in der Jugend des BVB) auf Ricken zurückzuführen sind, ist von außen schwierig zu beurteilen. Das Scouting von Talenten wie Youssoufa Moukoko etwa soll eher in anderen Händen gelegen haben, Ricken eher für den administrativen Teil verantwortlich gewesen sein.

Was wird aus dem Erbe von »Boss« Watzke?

Die Zeit, die er im Hintergrund arbeiten durfte und dabei ein gutes Verhältnis zum ehemaligen Jugend- und heutigen Cheftrainer Terzić aufbaute, sind nun vorbei. Dass Lars Ricken der Nachfolger vom »Boss« Watzke sein wird, ist ein vorschnelles Urteil.

Hans-Joachim Watzke ist Vorsitzender der Geschäftsführung, in der auch Thomas Treß (Finanzen) und Carsten Cramer (Marketing) vertreten sind. Ob es nach Watzkes Ausscheiden einen Vorsitzenden geben wird oder dann drei gleichberechtigte Mitglieder, lassen die Mitteilungen offen.

Offiziell ist auch offen, was Hans-Joachim Watzke nach seinem Ausscheiden 2025 machen wird. Wahrscheinlich ist, dass er dann Präsident des eingetragenen Vereins wird. Der hat beim Ballspielverein nicht nur repräsentative Aufgaben, sondern sitzt auch im Präsidialausschuss des Beirates der »Borussia Dortmund Dortmund Geschäftsführung GmbH«. Der Ausschuss hat die Aufgabe, Geschäftsführer zu überwachen, zu bestellen und eben auch abzubestellen.

Lars Ricken dürfte sich der Rückendeckung eines Präsidenten Hans-Joachim Watzke gewiss sein.

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