THOMAS HELMER IM FOCUS-ONLINE-INTERVIEW - EX-BVB-STAR: DORTMUND VERLIERT IM RüCKSPIEL GEGEN PSG DEN GRößTEN VORTEIL

Thomas Helmer spielte zu seiner aktiven Zeit sowohl für Borussia Dortmund (1986-1992) und auch den FC Bayern (1992). Beide Teams träumen vom Finaleinzug der Champions League – sie trennt nur jeweils ein erfolgreiches Rückspiel vom Spiel in Wembley. Im Gespräch mit FOCUS online schätzt Helmer die Chancen der beiden Teams ein. 

Gibt es ein zweites Wembley? Bereits 2013 duellierten sich der FC Bayern und Borussia Dortmund im Finale der Champions League an der englischen Kultstätte – damals mit dem besseren Ausgang für die Bayern (2:1). 

Nun könnte sich die Geschichte wiederholen. Borussia Dortmund reist mit einem 1:0 im Gepäck nach Paris, die Bayern müssen mit einem 2:2 zu Real Madrid reisen. Der 96er Europameister beleuchtet im Fantalk (Dienstag und Mittwoch jeweils live ab 20:15 Uhr auf SPORT1) mit seinen Gästen beide Partien, spielte selbst für beide Vereine. Der frühere Innenverteidiger hofft auf ein zweites Wembley mit deutschem Duell. 

Helmer: Paris schwerer einzuschätzen als Real

FOCUS online: Guten Tag Herr Helmer, glauben Sie an ein erneutes Wembley-Finale mit der Konstellation FC Bayern gegen Borussia Dortmund? 

Thomas Helmer: Die Chancen stehen gut, beide Teams spielen eine starke Saison in der Champions League und können diese auch im Halbfinalrückspiel bestätigen. Beide Spiele sind noch völlig offen, wobei Paris schwerer einzuschätzen ist als Real Madrid. Sie sind eine Art Wundertüte. Gegen Barcelona drehten die Pariser auch erst spät auf und sicherten sich so das Halbfinale. Real ist besser zu lesen, aber dennoch nicht einfacher zu bespielen. 

FOCUS online: Wie muss der BVB in Paris auftreten, um zu bestehen und ins Finale einzuziehen?

Helmer: Die Dortmunder müssen so engagiert spielen wie im Hinspiel, das war wirklich top und ein Spiel mit vielen Hochkarätern. Aber dennoch ist das 1:0 als Zwischenergebnis nicht beruhigend. Diese Leistung aus dem Hinspiel müssen sie wieder abrufen und auch wieder das nötige Quäntchen Glück haben. Im Gegensatz zum Heimspiel fällt die große Unterstützung der Dortmunder mit der gelb-schwarzen Wand weg. Das macht schon sehr viel aus und hat ihnen auch schon gegen Atletico Madrid geholfen.

Helmer: „Hummels spielt absolut herausragend“ und hätte sich EM-Nominierung verdient

FOCUS online: Gibt es einen Spieler beim BVB, der in dieser Champions-League-Saison besonders heraussticht?

Helmer: Mats Hummels spielt absolut herausragend, das freut mich besonders. Viele hätten ihm diese Leistungen nicht mehr zugetraut, ich schon (lacht). Bei Spielern über 30 glauben schon viele, dass sie diese Leistungen nicht mehr abrufen können. Aber Mats beweist das Gegenteil und hat mit seinem Stellungsspiel und Zweikampfverhalten unheimlich viele Aktionen gelöscht. 

FOCUS online: Muss Julian Nagelsmann folglich Hummels mit zur EM nehmen? 

Helmer: Es ist die Frage, ob Hummels die Rolle annimmt, die ihm Julian Nagelsmann für das Turnier gibt. Jonathan Tah und Antonio Rüdiger sind im Abwehrzentrum gesetzt. Aber geht man nur vom Leistungsgedanken aus, hätte sich Hummels die Nominierung verdient. 

Helmer lobt Terzic: Hat in kritischen Momenten „Immer geliefert“

FOCUS online: Können Sie sich erklären, wieso die Dortmunder in der Champions League herausragen, aber in der Bundesliga ihren Zielen hinterherhinken? 

Helmer: In der Champions League muss das Team gerade in den K.o.-Spielen voll da sein und darf sich keinen Ausrutscher erlauben. Mit Blick auf die Bundesliga kann sich der Gedanke einschleichen, dass auch mal ein oder zwei Patzer nicht ins Gewicht fallen. Allerdings ist es schon schlecht aus Dortmunder Sicht, dass sie bei den Begegnungen gegen die Mannschaften vor ihnen nur die Bayern schlagen konnten. Das ist deutlich zu wenig. Man könnte es aber auch ummünzen und sagen, dass es für die Stärke der Liga spricht. 

FOCUS online: Ist dennoch ein gesondertes Lob für Edin Terzic angebracht, der erst als dritter BVB-Trainer ins Halbfinale der Champions League eingezogen ist?

Helmer: Man sollte ihn auf jeden Fall loben, da er in den Momenten, in denen er kritisch gesehen wurde, immer abgeliefert hat. Natürlich hinken sie ihren Ansprüchen in der Bundesliga hinterher. Allerdings haben die Dortmunder durch ihre guten Auftritte und Siege in der Champions League auch dafür gesorgt, dass der fünfte Platz für die Qualifikation reicht. Da ist sicherlich bei allen Dortmundern viel an Druck abgefallen. 

Helmer: Derzeitige Trainerdiskussion in München spricht für sich

FOCUS online: Apropos Druck, den haben die Bayern vor ihrem Spiel gegen Real Madrid sicherlich auch. Welches Spiel erwarten Sie in Madrid? 

Helmer: Ich glaube es wird ähnlich eng wie in München. Real kann durch ein, zwei Aktionen jedes Spiel für sich entscheiden. Allerdings sind sie in der Defensive etwas verwundbar. Da ist schon etwas möglich für die Bayern, wenn Musiala ähnlich aufdreht wie im Hinspiel. Allerdings ist die Defensive auf Münchner Seite auch wackelig und nicht gut. Dabei waren die Spieler allesamt sehr teuer. Nun spielt mit Eric Dier der Verteidiger, der am günstigsten war. Das sagt auch schon einiges aus. 

FOCUS online: Die Defensive wackelt und auch ein neuer Trainer wird gesucht, allerdings haben schon zahlreiche Kandidaten abgesagt. Wie bewerten Sie die Trainersuche der Münchner?

Helmer: Zu dem Thema ist eigentlich schon alles gesagt. Die derzeitige Diskussion spricht für sich…

FOCUS online: Würden Sie anstelle der Bayern versuchen, doch noch einmal mit Thomas Tuchel zu sprechen und eventuell mit ihm weiterzumachen?

Helmer: Ich weiß nicht, ob Thomas Tuchel es machen sollte. Der generelle Umgang mit ihm wird ihn schon getroffen haben. Ich habe nicht den Eindruck, dass es noch einmal so harmonisch werden könnte, um vernünftig miteinander weiterzuarbeiten. 

Hoeneß würde Tuchel zum Titel gratulieren

FOCUS online: Glauben Sie trotzdem, dass es durch einen Champions-League-Titel ein friedliches Ende zwischen Thomas Tuchel und Uli Hoeneß geben kann?

Helmer: Bei Uli Hoeneß kann ich mir das definitiv vorstellen, er würde Thomas Tuchel gratulieren und sich nicht querstellen. 

FOCUS online: Kann der neue Trainer bei den Bayern einen befreiten Start hinlegen, auch wenn er nur sechste oder siebte Wahl ist?

Helmer: Ich glaube, dass diese Tatsache keine Rolle spielt. Jeder, der die Chance hat, bei Bayern Trainer zu werden, sollte diese auch ergreifen. Jeder Trainer weiß, dass im Vorfeld auch mit anderen Kandidaten gesprochen wird. 

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