TAUZIEHEN UM HOPPS VERMäCHTNIS

Ruhe herrscht schon lange nicht mehr bei der TSG Hoffenheim. Der zuletzt eher vor sich hinschwelende Konflikt zwischen mehreren Lagern nimmt nun wieder an Fahrt auf. Es geht dabei um nichts weniger als das Vermächtnis von Dietmar Hopp, der den Dorfklub mit seinen Millionen in die Bundesliga geführt hat.

Machtkampf bei der TSG Hoffenheim

Quo vadis, TSG Hoffenheim? Wohin geht's für den Emporkömmling? Sportlich womöglich nach Europa. Die Mannschaft von Trainer Pellegrino Matarazzo kämpft um den Einzug ins internationale Geschäft, am Freitagabend (20.30 Uhr, LIVE! bei kicker) ist sie beim VfL Bochum gefordert. Hinter den Kulissen wird auch gerungen, aber um die strategische und personelle Ausrichtung der Spielbetriebs-GmbH. Es geht um nichts weniger als das Vermächtnis von Dietmar Hopp.

Um die Gunst des Milliardärs, ohne dessen Geld die TSG wohl auf Kreis- oder Bezirksniveau herumdümpeln dürfte, ist das große Tauziehen entbrannt. Hopp feiert an diesem Freitag seinen 84. Geburtstag, die künftige Weichenstellung im Kraichgau wird also mit jedem Jahr dringlicher. Einen ersten Schritt machte die TSG durch die Rückübertragung der Stimmrechtsmehrheit vom Geldgeber an den eingetragenen Verein. Formal stellt Hoffenheim damit keine Ausnahme mehr von der 50+1-Regel dar. Klar ist aber auch: Hopps Worte haben nach wie vor größtes Gewicht, Entscheidungen ab gewissen Finanzvolumina oder von bestimmter Strahlkraft werden ohne ihn nicht getroffen.

Eine solche Entscheidung von Strahlkraft war es, nach der Trennung von Frank Briel Alexander Rosen zum Sportgeschäftsführer zu machen vor nicht einmal einem Jahr. Das Aus für Briel verwunderte, weil der für die Finanzen zuständige Ex-Geschäftsführer als äußerst loyal galt. Zudem arbeitete er auch gut zusammen mit Rosen, vor der Beförderung noch Direktor Profifußball. Insofern wäre der Schluss, des einen Aus ermöglichte erst die Aufwertung des anderen, ein trügerischer. Womöglich taten sich schon damals die ersten Gräben in der GmbH-Führung auf, die heute immer ersichtlicher werden.

Tischtuch zwischen der sportlichen Leitung und der Rest-Geschäftsführung zerschnitten

Mittlerweile steht auch Rosen zur Debatte, trotz Vertrags bis 2025. Da half auch ein halbgares Dementi aus der Medienabteilung nichts. Vor allem wenn kurze Zeit danach Pirmin Schwegler in der Mixed Zone öffentlich von "Widerständen" spricht, die "teilweise auch von innen" kommen. Der aktuelle Direktor Profifußball ist nach einer langen Karriere als Aktiver ein Medienprofi. So eine Person wählt ihre Worte bedacht. Ohne dabei konkret zu werden sprach Schwegler das aus, was rund um Sinsheim ohnehin jeder weiß. Zwischen der sportlichen Leitung um Rosen, den Technischen Direktor Bastian Huber und dem ihnen loyalen Schwegler und der Rest-Geschäftsführung aus Denni Strich (u.a. Marketing) und Prof. Dr. Jan Mayer (u.a. Unternehmensentwicklung) ist das Tischtuch längst zerschnitten. Nun geht es darum, wer in Hopps Gunst am höchsten steht, um seine jeweiligen Pfründe zu sichern.

Die sportliche Negativserie zwischen Ende Oktober und Februar setzte Rosen unter Druck. Schon damals wurde gemunkelt, dass der 45-Jährige die Saison nicht überleben werde. Eine gewisse Wende trat ein mit den Siegen bei Borussia Dortmund (3:2) Ende Februar und gegen Werder Bremen (2:1) Anfang März. Auch wenn die Matarazzo-Elf seither keine Konstanz an den Tag legen kann, deutet einiges darauf hin, dass sie die Kurve kriegt. Um es im Gesamtkontext einzuordnen: Mit Maximilian Beier, dessen Explosion so nicht absehbar war, Umut Tohumcu und zuletzt Tim Drexler haben Rosen und Matarazzo, dessen Schicksal eng mit dem des Sportchefs verbunden ist, drei Eigengewächse in der Bundesliga etabliert. Ein wichtiger Bewertungsfaktor im Kraichgau.

In Sachen Personaletat rangiert die TSG auf Platz neun - also genau dort, wo sie aktuell in der Tabelle steht. Während sie in den vergangenen drei Spielzeiten zweimal als Elfter (2020/21) und Zwölfter (2022/23) das Minimalziel verfehlte, hat sie derzeit noch realistische Chancen auf Rang sieben oder acht und hätte damit, wie man im Sport gerne sagt, überperformt.

Ob man das von der Vermarktung und der Positionierung des Gesamtunternehmens TSG Hoffenheim in der Region auch behaupten kann? Die Stadionauslastung stagniert bei 80 Prozent, aktuell der schlechteste Wert in der Beletage, was allerdings auch mit den sportlichen Darbietungen verknüpft werden kann. Gerade beherrschen auch Wendungen um den nach der SAP zweitwichtigsten Sponsor des Klubs die Debatten, die Schwarz-Gruppe. Mit dem Multikonzern, der über Pre-Zero als Stadionnamensgeber und mit weiteren Marken (Saskia-Wasser, STACK-IT, XM Cyber) mit den Hoffenheimern verbandelt ist, scheint es nicht allzu gut zu laufen. Derzeit ist nach kicker-Informationen fraglich, ob die Gruppe all ihre laufenden Sponsorings verlängert. Die strategische Partnerschaft endet beispielsweise 2025. Mindestens sieben Millionen Euro pro Saison stehen im Feuer.

Das Thema fällt in das Ressort von Strich, der im Oktober 2022 den ihm aus seiner DFB-Zeit bekannten Carl Monteiro zum Leiter Sponsoring, Vertrieb, Hospitality & Events und Strategie machte. Strich selbst kam ein halbes Jahr nach seinem Aus beim Verband als Direktor zur TSG und wurde wenige Monate später, im Juli 2020, zum Geschäftsführer bestellt. Strich gilt als enger Freund von Mediendirektor Christian Frommert, den die Bild einst sogar als "heimlichen Boss der Hoffenheimer Geschäftsstelle" beschrieb, weil er über beste Drähte zu Hopp verfügen soll.

Hopp und Wittmann nicht nur Freunde, sondern auch geschäftlich verbandelt

Über einen direkten Zugang zu Hopp verfügt auch Roger Wittmann. Den Spielerberater bezeichnete der bald 84-Jährige selbst als Freund, beide sind zudem geschäftlich verbandelt. Hopp übernahm mit seiner Gesellschaft Hobra nicht nur den Fußballklub Barra Futebol Clube in Brasilien, der von Personen und Firmen aus dem Umfeld von Wittmanns Agentur Rogon aus der Taufe gehoben wurde. Nein, er investierte auch in Wittmanns Cuju-App, mit der der 64-Jährige Talentförderung und Scouting zu revolutionieren versucht .

Wittmanns Agentur verschaffte der TSG Millionendeals wie Roberto Firmino, Joelinton oder Georginio Rutter, aber auch immer wieder Profis wie In-Hyeok Park, Christoph Martschinko, Felipe Pires, Guilherme Biteco, Lucas Ribeiro, oder Bruno Nazario, die nie den Durchbruch schafften und ständig verliehen werden mussten. In den Sommertransferperioden 2022 und 2023 kamen via Rogon mit Stanley Nsoki (geschätzt rund 12 Mio. Euro Ablöse) und Attila Szalai (12,3 Mio. Euro Ablöse) zwei extrem teure Innenverteidiger für die halblinke Position in der Dreierkette, die beide floppten.

Zudem nahm die TSG für einen weiteren Wittmann-Klienten, Mergim Berisha, im Sommer 2023 geschätzt einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand. Dass sich der 25-Jährige im Herbst einen Kreuzbandriss zuzog, ist bitter. Erstaunlich war die Investition dennoch, denn gerade im Sturm schien der Kader gut und breit aufgestellt, wie die aktuelle Anzahl von 53 erzielten Toren nahelegt. Die sportliche Leitung muss sich zumindest fragen lassen, inwiefern sie sich ein Stück weit auf dieses Zusammenspiel eingelassen hat - oder sich einlassen muss.

Vor allem eine Personalie ließ in diesem Zusammenhang aufhorchen: Die Freistellung von Akademieleiter Jens Rasiejewski im Dezember 2023. Als Grund für die Trennung von dem 49-Jährigen gab der Klub den Evergreen der "unterschiedlichen Auffassungen" an. Zumindest ob der sportlichen Darbietung der wichtigsten Nachwuchsteams ein auf den ersten Blick erstaunlicher Schritt: Der U 19 ist der Meistertitel in der Süd-Südwest-Staffel nur noch theoretisch zu nehmen und die U 23 hat noch alle Chancen auf den Drittliga-Aufstieg unter dem Trainer Vincent Wagner, den Rasiejewski geholt hatte.

Rasiejewski soll schonungslose Ehrlichkeit gegenüber Rogon-Klienten auf die Füße gefallen sein

Dem ehemaligen Nachwuchschef soll schonungslose Ehrlichkeit gegenüber Rogon-Klienten im Nachwuchsbereich auf die Füße gefallen sein. Vor allem junge Franzosen hatte Wittmanns Firma in den letzten Jahren zur TSG gebracht. Ein Blick in die U 23 offenbart: Weder Aleksei Carnier (20) noch Mathieu Kambala (20) oder Adam Mulele (19) sind nah am Status der Stammkraft, bei Simon Kalambayi (19) stimmt zumindest die Quote halbwegs (6 Scorerpunkte in 17 Spielen). Hubert Mbuyi-Muamba ob seines bitteren Schicksals, einer Erkrankung an Leukämie, hier zu bewerten, wäre nicht statthaft. Überrascht hat das Rasiejewski-Aus nach einem monatelangen Eiertanz darum, wer nun die Kündigung aussprechen solle, jedenfalls niemanden mehr. Dass er anders als branchenüblich in der offiziellen Mitteilung über die Trennung nicht zu Wort kam, lässt tief blicken. Derzeit verhandeln beide Seiten außergerichtlich über eine gütliche Einigung.

In dieser Gemengelage erwecken die jüngsten Entwicklungen den Eindruck, dass sich die Lager Wittmann und Strich/Mayer zusammengetan haben könnten. Dass mit dem durchaus umworbenen Sportchef von Sturm Graz, Andreas Schicker, bereits ein potenzieller Rosen-Nachfolger im Gespräch ist, der einst mit Rogon-Österreich-Vertreter Daniel Kastner in Ried zusammenspielte, unterstreicht diesen Eindruck. Entscheidend wird nun die Frage sein, welches Lager die besseren Argumente gegenüber Hopp bereithält - oder über den besseren Zugang verfügt.

Wo sortieren sich die e.V.-Vertreter Baumgärtner und Engelhardt ein?

Und wo sich die e.V.-Vertreter Kristian Baumgärtner und Simone Engelhardt einsortieren. Schließlich halten diese nach der Rückgabe des 50+1-Ausnahmestatus formal die Stimmrechtsmehrheit. SAP-Aufsichtsrat Gerhard Oswald, einflussreiches Beiratsmitglied der Spielbetriebs-GmbH, und Hopps Sohn Daniel jedenfalls sollen das Wirken Rogons mindestens kritisch betrachten.

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