NACHT DER FASSUNGSLOSIGKEIT

Nach der Niederlage in Madrid befindet sich der FC Bayern in einem seltsamen Zustand. Wut, Trauer, Fassungslosigkeit – vieles spielt eine Rolle. Wann der Klub sich wieder aufrichten kann, bleibt vorerst offen.

In einer theaterartigen Location in Madrid bat der FC Bayern nach dem Spiel gegen Real Madrid zum Bankett. Eigentlich stand alles für eine rauschende Nacht bereit, nur das sportliche Ergebnis wollte nicht dazu passen.

Entsprechend gedrückt war die Stimmung bei allen, die erste Wut über Schiedsrichter Szymon Marciniak war ein wenig verraucht. CEO Jan-Christian Dreesen hielt sich in seiner obligatorischen Rede nicht lange mit dem polnischen Referee auf, sondern wollte den Fokus nach vorne richten.

Dreesen beschwört das „Mia san Mia“

„Wir sind auch schon in der Vergangenheit durch solche Talsohlen und tiefe Gräben gegangen“, sagte der 56-Jährige. „Das ist es, was uns als Bayern-Familie auszeichnen soll: Dass wir nach so bitteren Niederlagen stärker als zuvor zurückkommen“.

Dreesen nannte es den „Mia-san-mia-Reflex“ und beschwor eindringlich alle Protagonisten, in der kommenden Saison neu anzugreifen.

Die beeindruckende Reaktion auf die letzte titellose Saison im Jahr 2012, inklusive des Schocks vom „Finale dahoam“, soll offenkundig die Blaupause für den anstehenden Umbruch sein. Doch kann das gelingen?

FC Bayern 2024 wie 2012?

Die Umstände von damals und heute sind nämlich nicht wirklich zu vergleichen. 2012 wog der psychische Schock durch die Niederlage gegen den FC Chelsea in der heimischen Arena deutlich schwerer als die jetzige Pleite gegen Real. Das bestätigte Manuel Neuer nach der Partie.

Und: Vor zwölf Jahren verfügte der FC Bayern über eine funktionierende Mannschaft, bei der rein fußballerisch nur kleine Schräubchen gedreht werden mussten. Diesen Eindruck hat man im Jahr 2024 nicht.

Aktuell muss ein echter Umbruch – das hat Sportvorstand Max Eberl schon mehrmals angekündigt. Auch die guten Auftritte gegen Arsenal und Real werden daran nichts ändern.

Der Klub sucht in seiner Gesamtheit nach Orientierung und fast alles dreht sich um den Kader. Wer darf bleiben? Wer muss gehen? Eberl und Sportdirektor Christoph Freund suchen nach Antworten. Obendrein hält die sich weiter hinziehende Trainersuche den Verein im Niemandsland.

Gefährliche Lage bei Bayern

Insofern könnte man die aktuelle Lage als gefährlicher bezeichnen als 2012. Damals hatte ein starker Kader ein paar wichtige Spiele verloren. Diesmal verlor ein solider Kader einige wichtige Partien und hinterließ on top eine äußerst durchwachsene Saison, in der man nur sehr selten Dominanz ausstrahlen konnte.

2012 setzte man mit der Verpflichtung von 40-Millionen-Euro-Mann Javi Martínez und der Installation von Sportvorstand Matthias Sammer zwei Ausrufezeichen personeller Natur.

Zwei Stellschrauben werden diesmal nicht ausreichen, dafür ist der Kader nicht gefestigt genug. Unumstritten ist kaum jemand, laut Eberl wird jeder auf den Prüfstand gestellt.

Die Problemfelder des FC Bayern sind also deutlich ausgeleuchtet. Das hat auch sein Gutes. Es stehen keine großen sportlichen Erfolge zur Verfügung, die die Schwächen im Kader verdecken können. Ein unverhoffter Einzug ins Finale hätte den Umbruch womöglich erneut verzögert.

Der Rekordmeister sucht Orientierung. Der traurige Abend in Madrid könnte auf der Suche ein guter Startpunkt sein.

2024-05-09T13:42:10Z dg43tfdfdgfd