KOMMENTAR: BAYER UNBEZWINGBAR – SIE FINDEN IMMER EINEN WEG!

Aus Leverkusen berichtet Andreas Reiners

Die emotionale Explosion gab es in der Nachspielzeit. Mal wieder. Das Übliche halt.

Als Josip Stanisic den Ball zum 2:2 gegen die AS Rom in die lange Ecke nagelte, kannte der Jubel in der BayArena keine Grenzen mehr. Die Fans lagen sich in den Armen, die Spieler in einer Traube übereinander. Es ist ein gewohntes Bild, wobei diese Bezeichnung dem Moment nicht ansatzweise gerecht wird.

Doch es wäre eine Überraschung, wenn dieses Ende die Menschen in Leverkusen tatsächlich immer noch überraschen kann.

Denn diese Mentalität, diese Moral, dieses Selbstverständnis hat in dieser Saison bei Bayer ja Methode. Die Attribute gehören zur DNA dieser Mannschaft, die zum 16. Mal in der Nachspielzeit getroffen hat. Es war das 38. Tor nach der 80. Minute. Das ist alles kein Zufall mehr, sondern eine Qualität, mit der das Team von Trainer Xabi Alonso durch eine Saison pflügt, die schon längst historisch ist, aber noch mehr bereithält.

Bayer Leverkusen: Niederlagen sind keine Option

Diesmal sorgte der Treffer dafür, dass die Serie der ungeschlagenen Pflichtspiele weitergeht. Ein 1:2 hätte auch zum Einzug in das Endspiel der Europa League gereicht, doch Niederlagen sind in Leverkusen in dieser Saison verpönt. Sie sind schlicht keine Option.

49 (!) ungeschlagene Pflichtspiele sind es inzwischen. Dabei war es ein Spiel, das kompliziert wurde, weil Bayer fahrlässig mit den Chancen umging. Daher ist dieses Remis ein weiteres Ausrufezeichen. Es unterstreicht, wie verdient das Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Europa League wäre, und dass dieses Triple immer greifbarer wird. Dass diese Mannschaft auf dem Weg dorthin offenbar nicht aufzuhalten ist und immer eine Lösung findet. Und vor allem nie den Kopf verliert, sondern so sehr an sich, an die eigenen Stärken und an die Vorgaben des Trainers glaubt, dass man nicht mehr damit rechnen, sondern sogar davon ausgehen muss, dass von Bayer noch eine Antwort kommt.

"Wieder diesen Charakter und diese Mentalität zu zeigen, das hat die Mannschaft super gemacht. Wir hätten früher Tore schießen können, aber am Ende wieder nicht zu verlieren, war top", sagte Alonso bei RTL. "Ich konnte es in ihren Augen sehen, dass sie daran geglaubt haben", sagte Alonso. Vor allem verriet er, dass er seine Mannschaft gar nicht zurückhalten konnte, noch auf das 2:2 zu gehen. All-in für die Serie sozusagen, für den Erfolg. Bayer als unaufhaltsamer D-Zug. Mit brachialem Willen zum Triple.

"Gegen so eine Mannschaft nochmal zurückzukommen und vor allem auch nicht zu verlieren, ist unglaublich. Einmal mehr dieser Wille, nochmal ein Tor zu schießen und nochmal drauf zu gehen, ist einfach unfassbar", sagte Granit Xhaka.

Bayer Leverkusen: 2:2 als Warnschuss

Doch bei allem Jubel dient dieses 2:2 auch als Warnschuss. Als Beispiel dafür, wie schmal der Grat sein kann, wenn beim Rotieren ein wenig überzogen, zu viel experimentiert und die Balance verfehlt wird.

Alonso hatte mit seiner Aufstellung überrascht, er spielte zum Beispiel wie schon im Hinspiel ohne echten Stürmer, setzte auf Adam Hlozek, der aber zahlreiche Chancen vergab. Nach dem 0:2 wirkte es, als könnte die Partie kippen, Bayer wackelte, doch Alonso verzichtete zunächst auf Impulse von der Bank.

Erst eine Viertelstunde vor Schluss brachte er frische Kräfte. Wie zum Beispiel Stanisic. Dass ausgerechnet er als Joker dann das 2:2 in der Nachspielzeit macht, ist ein kitschiges Gemälde dieses unglaublichen Leverkusener Wegs. Es steht für richtige Entscheidungen, Willen, Stärke, Moral und die nötige Portion Glück.

Und vermutlich ist der Hinweis auf den Warnschuss Meckern auf hohem Niveau, denn Bayer beschäftigen auf den letzten Metern und vor einer Woche mit Meisterschale, Europa-League-Finale und DFB-Pokal-Endspiel Luxusprobleme.

So rechnet auch der Social-Admin der Werkself laut einem Post seit Wochen mit einer Pleite. Er sei jedes Mal damit beschäftigt, das Thumbnail für die erste Niederlage in den sozialen Medien einzubauen. Auch jetzt musste er es wieder in letzter Sekunde ändern. Was er sicher gerne getan hat.

Doch natürlich wird sie kommen, die erste Niederlage, das Ende der Serie. In dieser Saison aber vermutlich nicht mehr. Weitere emotionale Explosionen sind weitaus wahrscheinlicher. Sie haben in dieser Saison schließlich Methode.

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