HERTHA BSC: EIN ENDE VON PAL DARDAI KäME EINER ZEITENWENDE GLEICH

Ende 1999 herrschte Aufregung in der Familie Dardai. Pal, damals 23 Jahre jung, wurde heftig vom FC Bayern München umworben. Söhnchen Palko war erst ein halbes Jahr zuvor auf die Welt gekommen. Uli Hoeneß lockte mit einem lukrativen Angebot, Bruder Dieter – damals Manager bei Hertha BSC – wollte seinen Mittelfeld-Kämpfer unbedingt behalten. So kam es zum Kuriosum, dass zeitgleich Pal im Wohnzimmer mit Dieter Hoeneß verhandelte und Monika Dardai in der Küche nebenan Uli Hoeneß am anderen Telefon hatte. Der Ausgang ist bekannt. Pal Dardai blieb in Berlin und bekam einen sehr gut dotierten Vertrag. Mancher wird sich nun fragen, warum schreibe ich diese weit zurückliegende Episode noch einmal auf?

Ganz einfach: In diesen Tagen ist Dardai erneut in einer Situation, wo er sich entscheiden muss und womöglich an einem Wendepunkt seiner Trainer-Karriere steht. Geht er den Berliner Weg mit der jungen Mannschaft noch ein Jahr in der 2. Bundesliga mit und stellt sich dem Druck, aufsteigen zu müssen oder nimmt er eine Auszeit und geht lieber mit Hund „Teddy“, einem Maltipoo (Kreuzung aus Pudel und Malteser) spazieren?

Doch es gibt einen großen Unterschied zur Situation von 1999: Dardai, 48, ist nicht alleiniger Herr der Lage. Zuerst muss die Klubspitze eine Entscheidung treffen, welcher Trainer den Aufstieg bewerkstelligen soll. Nach der 2:3-Niederlage in Karlsruhe, die den stets vagen Traum vom Wiederaufstieg endgültig platzen ließ, muss sofort die neue Spielzeit geplant und zuerst Klarheit in der Trainerfrage geschaffen werden.

Das sind die Fakten: Dardais Vertrag läuft am 30. Juni aus. Er selbst unterschreibt stets nur Kontrakte über ein Jahr. Sportdirektor Benjamin Weber beteiligt sich nicht an den wabernden Gerüchten und wiederholt gebetsmühlenartig: „Wir werden alles intern mit Pal besprechen und uns weiterhin nicht von den öffentlichen Spekulationen treiben lassen.“

Vier Namen machten bislang die Runde, mit denen sich Hertha angeblich befassen soll: Thomas Stamm (41/SC Freiburg II), Kosta Runjaic (52/zuletzt Legia Warschau, zuvor erfolgreich bei Pogon Stettin), Cristian Fiel (44/1. FC Nürnberg) und sogar Christian Eichner (41/Karlsruher SC). Überzeugende Alternativen sind das für mich nicht.

Der Chefcoach für 2024/25 kann vielleicht durch den strikten Sparkurs auf sämtlichen Gebieten mit etwas mehr Geld für Transfers rechnen als Dardai im Sommer des vergangenen Jahres. Damals mussten erst viele Profis verkauft werden, um Einnahmen für Zugänge zu akquirieren. 30,95 Millionen Euro flossen aus Transfererlösen in die Kassen, 4,68 Millionen Euro gab Benjamin Weber für neue Spieler aus. Doch laut Magazin Kicker soll der Lizenzspieler-Etat (derzeit rund 32 Millionen Euro) weiter reduziert werden. Annähernd so viel Geld wie im Vorsommer kann Weber jetzt kaum einnehmen. Fabian Reese, Haris Tabakovic oder Ibrahim Maza würden stattliche Ablösesummen einbringen. Doch ohne diese außergewöhnlichen Spieler würde der Aufstieg zur Utopie – egal für welchen Trainer.

Die aktuelle Saison war von allen Verantwortlichen als „Übergangsjahr“ ausgerufen worden. Sachlich betrachtet hat die Mannschaft das Soll erfüllt und das Olympiastadion oft zum Hexenkessel gemacht. Dennoch wurde eine Chance verpasst, zumindest die Relegation zu erreichen und vielleicht sogar das Finale im DFB-Pokal.

Ich frage mich: Warum soll Pal Dardai seine Laufbahn nicht mit dem Aufstieg im Mai 2025 krönen – vorausgesetzt der Klub baut weiter auf ihn? Das Gefühl des Aufstiegs als Trainer kennt er noch nicht. Die Liste derjenigen Fußballlehrer, die nach Herthas Abstürzen den Aufstieg schafften, ist prominent: Helmut „Fiffi“ Kronsbein, Georg Gawliczek, Jürgen Sundermann, Werner Fuchs, Jürgen Röber, Markus Babbel und Jos Luhukay. Sollten sich aber die Wege von Dardai und Hertha trennen, wäre der von mir ungeliebte Begriff „Zeitenwende“, den Bundeskanzler Olaf Scholz prägte, bei Hertha tatsächlich einmal angebracht. 

2024-04-24T05:16:59Z dg43tfdfdgfd