SCHLAG INS GESICHT

Frauenfussball-WM

Schlag ins Gesicht

Obwohl mit Brasilien nur noch ein Mitbewerber übrig ist, hat die deutsche Kandidatur um die Austragung der Fußball-WM 2027 der Frauen einen gewaltigen Dämpfer bekommen.

Machen Präsident Bernd Neuendorf, Generalsekretärin Heike Ullrich oder Sportdirektorin Nia Künzer aus der Delegation des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in der kommenden Woche nach dem 74. Fifa-Kongress in Bangkok lange Gesichter? In der thailändischen Hauptstadt entscheiden die 211 Mitgliedsverbände bereits am 17. Mai darüber, wo die Frauenfußball-WM 2027 ausgetragen wird. Weil erst Südafrika, dann die USA und Mexiko ihre Bewerbungen zurückgezogen haben, schien die Chance für eine Endrunde in Deutschland, Belgien und die Niederlande groß, doch nun hat die gemeinsame Offerte aus dem Dreiländereck einen gewaltigen Dämpfer bekommen. Der vom Fußball-Weltverband veröffentlichte Evaluierungsbericht bringt überraschend als Punktsieger den einzigen Mitbewerber Brasilien hervor.

Während die als „BNG“ (Belgium, Netherlands, Germany) zusammengefasste Europa-Bewerbung auf 3,7 von fünf möglichen Punkten kommt, wird Brasilien mit 4,0 benotet. Insbesondere für den DFB, der nach der Frauenfußball-WM 2011 auf den Zuschlag in dem Zeitraum vom 18. Juni bis 18. Juli 2027 als Ansporn für den Frauen- und Mädchenfußball hofft, ist das ein Schlag ins Gesicht. Wer ohnehin den Europäern eins auswischen wollte – so wie es Fifa-Präsident Gianni Infantino gerne tut -, der kann sich locker auf das Urteil der Inspekteure berufen, die im Januar und Februar auf Rundreise auch in Deutschland waren.

Man habe den Fifa-Evaluierungsbericht erhalten „und damit die gute Gesamtbewertung zur Kenntnis genommen“, hieß es am Mittwochabend in einer Stellungnahme, für die der DFB mehr als zwölf Stunden gebraucht hatte. Es soll bloß kein Porzellan mehr zerschlagen werden.

Große rechtliche Risiken

Für die Gesamtnote zählt die Infrastruktur – Stadien, Trainings- und Medieneinrichtungen, Unterbringung und Fanfestivals – zu 70 Prozent, die Wirtschaftlichkeit wird mit 30 Prozent gewichtet. Brasilien schneidet bei den Stadien besser ab, die weitgehend identisch mit jenen der Männer-WM 2014 sind. Zwar hat Deutschland mit Dortmund, Gelsenkirchen, Köln und Düsseldorf große Arenen benannt, nicht aber die Nachbarländer. Die belgischen Spielstätten in Genk, Gent, Brüssel oder Charleroi fassen nur jeweils rund 20 000 Zuschauer. Ein Nachteil.

Zudem sieht die Fifa in Europa große rechtlichen Risiken, die ihren Gewinn gefährden. Es wird gerügt, dass die drei Verbände und Regierungen aus Europa die eingereichten Verträge modifiziert hätten. Man habe wesentliche Abweichungen festgestellt: „Solche Unzulänglichkeiten setzen die Fifa potenziell erheblichen Risiken aus, darunter erhöhte Kostenverpflichtungen, erhebliche Verwässerung ihrer Rechte und ein Verlust der operativen Kontrolle.“ Die Garantien seien nicht vollständig, man müsse „unverzüglich und effektiv“ mit der Fifa zusammenarbeiten, wolle man die Anforderungen erfüllen. Der DFB geht darauf in seiner Stellungnahme gar nicht ein, schreibt nur, „alle Erwartungen, die ein Bewerberland zu erfüllen hat“, zu erbringen.

Der beim DFB federführend für die Bewerbung zuständige Patrick Kisko hatte indes früher angemerkt, dass die Fifa für die Frauenfußball-WM dieselben Ansprüche wie bei einer Männer-WM durchsetzen will. Nach dem Motto: „Die Fifa darf alles.“ Brasiliens Fußball-Verband (CBF) hat die Knebelverträge klaglos hingenommen, was vielleicht die wohlwollenden Bewertungen erklärt. Die Mitgliedsverbände stehen bei der offenen Abstimmung am nächsten Freitag vor der Qual der Wahl: Erstmals die weltbesten Fußballerinnen in Südamerika küren, wo Frauensport generell in vielen Bereichen noch riesigen Nachholbedarf hat? Mit dem Risiko, das es bei der Vermarktung und dem Interesse hapert?

„BNG“ will den Rekorderlös bei der Frauen-WM in Australien und Neuseeland von umgerechnet 527 Millionen Euro um rund 50 Prozent übertrumpfen, aber die Fifa hält eher sachlich fest: „BNG“ habe ein „solides, finanzielles Angebot mit guten Prognosen für Medien- und Marketingrechte“ abgegeben. Der Aspekt der Nachhaltigkeit mit einem kompakten Konzept, bei dem Flugreisen komplett entfallen, fällt übrigens ziemlich unter den Tisch. In Brasilien sind wieder riesige Distanzen zu überbrücken, weil sich die Spielorte wie bei der WM 2014 übers ganze Land verteilen: vom warmen Norden (Recife, Salvador) bis in den kühleren Süden (Porto Alegre), aus den Metropolen (Rio de Janeiro, Sao Paulo) über die Hauptstadt (Brasilia) bis ins Amazonas-Gebiet (Manaus).

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